
14.12.2020
Geflüchtete Kinder finden ihre Identität in Schatzkisten wieder
![]() Foto: Vincenz Schüle und Kunsttherapeutin Sophie Firle leiteten die Kinder über mehrere Wochen bei dem Projekt an. (Verein Wendepunkt) |
Elmshorn Wie sollen Kinder nach einer langen Flucht in ein fremdes Land noch wissen, wer sie sind und wo sie hingehören? Wo sollen sie ihre Identität wiederfinden? Vielleicht in einer Schatzkiste.
Kinder aus Syrien, Türkei und Kolumbien nahmen teil
Bei einem kunsttherapeutischen Projekt des Vereins Wendepunkt leiteten Firle und Schüle zehn Kinder mit interkulturellen Hintergründen beim Basteln an. Wie die Einrichtung mitteilte, stammen die Zweitklässler der Grundschule Hafenstraße aus Syrien, der Türkei und Kolumbien. Einige leiden unter belastenden Erfahrungen, die sie in ihren Heimatländern oder auf der Flucht gemacht haben. Sie stehen vor der Herausforderung, in Deutschland anzukommen.
Projekt verschafft Mädchen und Jungen Erfolgserlebnisse
Über mehrere Wochen hinweg fertigten die Mädchen und Jungen in Doppelstunden zusammen mit Sophie Firle und Vincenz Schüle Schatzkisten an. Sie bemalten sowie verzierten die Boxen und füllten sie dann mit Kunstwerken, Schätzen und Erinnerungen. „Wir gehen mit den Kindern auf die Suche nach ihren eigenen Schätzen“, erklärt Kunsttherapeutin Sophie Firle. „Die Kinder haben dadurch Erfolgserlebnisse. Sie machen sich bewusst, was ihnen wichtig ist und was ihre Stärken sind.“
Schätze: Eltern, Bruder und neues Geschwisterkind
Den Kindern fielen viele Stärken, Fähigkeiten und Dinge ein, auf die sie stolz sind – wie zum Beispiel besonders gute Fähigkeiten im Zeichnen oder Rechnen, die Freude an ihren Haustieren oder ihr gutes Verhältnis zur Oma. Die siebenjährige Sana aus Syrien zählte ihre persönlichen Schätze auf: „Meine Eltern, mein Bruder und unser neues Baby, das bald auf die Welt kommen wird.“ Ihr gefällt es gut in Deutschland und besonders die Schule mag sie sehr, aber sie vermisst ihre Großeltern.
Zweitklässler entdeckten neue Techniken und Materialien
Die Schüler malten mit Wasserfarben, arbeiteten mit Speckstein, Keramiplast und Sand. Sie entdeckten neue Materialen und Techniken, die sie noch nicht kannten. Ihre Schatzkisten füllten sie mit Bildern, Traumfängern, die böse Träume fernhalten sollten, Glücksbringern aus Speckstein und Erinnerungen. Vincenz Schüle berichtete: „Es herrschte teilweise richtig ausgelassene Stimmung, wenn sich die Kinder ausgetauscht und erzählt haben. Und im nächsten Moment waren sie hochkonzentriert bei der Arbeit.“ Die Kinder schienen sich jede Woche wieder auf das Projekt zu freuen, obwohl dafür manchmal der Sportunterricht ausfallen musste.
Klassenlehrerin lernte Kinder besser kennen
Klassenlehrerin Birte Koob, die für das Kunstprojekt sogar ihre freie Zeit geopfert hat, berichtet: „Alle waren mit Freude und sehr eifrig bei der Sache, das war unglaublich schön zu sehen." Sie habe die Kinder von einer anderen Seite kennengelernt.
Letztes Projekt vor dem Lockdown
Das Projekt wurde rechtzeitig vor dem Lockdown beendet. Es wurde finanziert durch die Kroschke Kinderstiftung, die Bürgerstiftung Volksbank Pinneberg-Elmshorn und den Lions Club Elmshorn Audita. Der Kreis teilte mit, dass nach Einschätzung des Gesundheitsamtes in der aktuellen Situation vorerst keine Präventionsprojekte mehr stattfinden sollen. (jhf)