Pinneberg/Kiel (rs) Die zum Kreis Pinneberg gehörende Nordseeinsel Helgoland soll zum Reallabor für die Erzeugung von Grünem Wasserstoff werden. Die Initiative AquaVentus will mit klimafreundlicher Wasserstofftechnologie weltweit Signale setzen.
Das ambitionierte Ziel von AquaVentus: 10 Gigawatt Erzeugungsleistung für Grünen Wasserstoff aus Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2035 sowie dessen Transport an Land. Eine Million Tonnen Grüner Wasserstoff pro Jahr könnten so gewonnen werden.
Doch nicht nur deshalb erwartet Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt, dass Schleswig-Holstein eine zentrale Rolle im Aufbau eines europäischen Wasserstoffmarktes spielen wird. Unsere Zeitung interviewte den Minister.
Das komplette Interview im Wortlaut:
Grüner Wasserstoff, gewonnen auf regenerative Art, gilt als Energie der Zukunft. Wie schätzen Sie die Situation ein: Wird Schleswig-Holstein tatsächlich europaweit eine Vorreiterrolle bei der Erzeugung, Verteilung und Nutzung von grünem Wasserstoff einnehmen können?
Goldschmidt: Schleswig-Holstein wird beim Aufbau eines deutschen und europäischen Wasserstoffmarktes eine zentrale Rolle spielen. Der Grund sind die exzellenten Bedingungen. Unser Land zwischen den Meeren ist eine Hochburg für Wind- und Sonnenkraft. Hier macht es richtig Sinn, Anlagen zur Erzeugung und Weiterverarbeitung von Wasserstoff zu bauen.
Schleswig-Holstein hat alle Voraussetzungen dafür um eine Drehscheibe für Erneuerbare Energien und Grünen Wasserstoff zu werden. Es liegen Anfragen für Ansiedlungsvorhaben in Höhe von ca. einem Gigawatt vor. Das entspricht ungefähr einer Leistung von einem Großkraftwerk. Das Wasserstoffleitungsnetz für ein klimaneutrales Industrieland ist in der Entwicklung und an den Küsten fahren bereits erste Wasserstoffbusse. Hier entsteht Zukunft.
Welche Großprojekte sind dafür im Land nötig?
Schleswig-Holstein ist ein Mittelstandsland. Für einen erfolgreichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Schleswig-Holstein sind nicht nur Großprojekte, sondern auch mittelgroße und kleinere Wasserstoffprojekte erforderlich. Die meisten derzeit entstehenden Wasserstoffvorhaben bedienen den Mobilitätssektor, einfach weil hier die Wirtschaftlichkeit höher ist. Die Wasserstoffproduktion wird künftig vor allem auch in Raffinerieprozessen, wie der Herstellung von Ammoniak, Methanol und Harnstoff, eingesetzt werden. Es wird ein Wasserstoffpipelinenetz entstehen und große Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff.
Von welchen dürften die Kreise Pinneberg und Steinburg betroffen sein?
Den Kreis Pinneberg betrifft die Wasserstoffherstellung auf See, da Helgoland in diesem Bereich eine wichtige Rolle spielt.
Und auch im Kreis Steinburg spielen Wasserstoffvorhaben bereits eine Rolle, da ein Teil des ChemCoast Parks zu der Gemeinde Büttel gehört. (Hintergrund: Welche Projekte bereits öffentlich bekannt sind, können Sie gerne der Übersichtskarte der Wasserstoffvorhaben in SH entnehmen: Wasserstoff Projektkarte - WTSH Wasserstoff (wasserstoffwirtschaft.sh)
Sind für die Wasserstoff-Zukunft weitere Windparks in Nord- und Ostsee nötig?
Ja. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien bildet die Grundlage für das Gelingen der Energiewende und die heimische Wasserstoffproduktion. Mit der Energiewende kommt es auch zu einer fortschreitenden Elektrifizierung. Das bedeutet, dass energetische Anwendungen, bei denen bisher beispielsweise Diesel, Benzin oder Heizöl genutzt wurden, zu einem Großteil durch elektrische Anwendungen ersetzt werden. Schleswig-Holstein hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 das erste klimaneutrale Industrieland zu werden und grüner Wasserstoff nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Basis für eine heimische Produktion von grünem bzw. klimaneutralem Wasserstoff ist die Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom. Auch aus diesem Grund benötigen wir daher weitere Windparks in der Nord- und Ostsee.
Wo sind diese geplant und mit wie vielen Windrädern?
Der Großteil der Windkraft auf See wird in der deutschen Nordsee stattfinden und europäisch vernetzt sein. Schleswig-Holstein wird über den Büsum-Korridor relevante Mengen des produzierten Windstroms aufnehmen.
Sind auch Gezeitenkraftwerke auf See vorgesehen?
Das ist eine spannende Technologie, die aber noch in den Kinderschuhen steckt. Konkrete Projekte gibt es in Schleswig-Holstein derzeit nicht.
Welche Rolle kommt bei den Energieplänen von Schleswig-Holstein Kooperationen mit Skandinavien zu?
Eine Verbindung mit dem bereits geplanten dänischen Wasserstoffnetz ermöglicht den Import von grünem Wasserstoff aus Dänemark. Bei dem Projekt Hyperlink 3 des Unternehmens Gasunie handelt es sich um eine geplante Wasserstoff-Pipeline, die auf der Nord-Süd-Achse durch Schleswig-Holstein bis nach Dänemark verläuft (Hintergrund: siehe: Hyperlink 3 › Hyperlink (hyperlink-gasunie.de). Ebenso denkbar ist der Import von grünem Wasserstoff aus Norwegen. In Dänemark ist der Hochlauf der Wasserstoff-Produktion übrigens schon heute so weit fortgeschritten, weil der Dänische Strommarkt in zwei Gebotszonen aufgeteilt ist. Die Erneuerbaren Energien können deshalb ihre Preisvorteile ausspielen und im Westen des Landes günstig für die Produktion von nachweisbar Grünem Wasserstoff eingesetzt werden.
Wenn grüner Wasserstoff das Gold von morgen wird: Schließt sich dann die Schere zwischen dem armen Norden und dem reichen Süden Deutschlands? Wird Schleswig-Holstein gar vom Zahlungsempfänger zum Geberland?
Die Energiewende bietet Schleswig-Holstein eine wertvolle Chance darauf, den Wohlstand im eigenen Bundesland nachhaltig zu erhöhen. Die bei uns gewonnene grüne Energie, ganz gleich ob Strom oder Wasserstoff, bietet Unternehmen vor Ort die Möglichkeit, ihre Prozesse klimaneutral zu gestalten. Wenn wir es schaffen, unsere grüne Energie zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten, dann ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen von diesem Angebot Gebrauch machen werden und sich für den Standort Schleswig-Holstein entscheiden. Die Energiewende ist eine Großchance für unser Land.