Kreis Pinneberg (jhf) Es müssen furchtbare Bilder gewesen sein: Durch einen Wolfsangriff hat ein Schäfer im Landkreis Stade vorigen Sonnabend, 26. August 2023, die Hälfte seiner Herde veroren. 18 Schafe wurden gerissen, weitere 37 so stark verletzt, dass sie eingeschläfert werden mussten, berichtete die Jägerschaft des Landkreises.
Bokel: Wolf trieb Rinderherde auf Bahngleise
Im Kreis Pinneberg sorgte ein Wolf zuletzt im Juli für Unruhe. Wie Hans Wörmcke, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Pinneberg, auf Anfrage der Holsteiner am Wochenende mitteilte, trieb der Wolf bei Bokel eine Rinderherde auf die Bahngleise. Ein Tier verendete, weitere wurden verletzt. Der Zugverkehr wurde stundenlang eingestellt. „Der Einsatz eines Wolfsspürhundes und Spurenfunde brachten Sicherheit, dass dort ein Wolf beteiligt war“, berichtete Wörmcke. Er warnt: „Jederzeit kann es zu ähnlichen Ereignissen kommen.“
Sorge in der Seestermüher Marsch
Schäfer im Kreis Pinneberg zeigen sich beunruhigt. „Ich sehe das langfristig kritisch“, sagte Landwirt Dirk von Drathen, der auf dem Seestermüher Elbdeich etwa 200 Mutterschafe hält. Im Kreis Segeberg lebe ein Wolfsrudel. Sobald die Welpen groß seien, suchten sie sich Territorien. „Irgendwann gehen die auf Wanderschaft. Die Gefahr kann man nicht abschätzen.“ Der 62-Jährige kann seine Schafe nicht vor Wölfen schützen, da er sie auf dem Deich hält. „Deiche darf ich nicht einzäunen.“ Wolfssichere Zäune erforderten zudem viel Aufwand. Sie müssen unter Strom stehen, sodass Büsche zurückzuschneiden seien, damit sie die Elektrizität nicht ableiten. Von Drathen hofft auf ein Umdenken dahin, dass die Zahl der Wölfe reduziert wird.
Kreisjägerschaft Pinneberg warnt
Angesichts der aktuellen Übergriffe von Wölfen zeigt sich Hans Wörmcke, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Pinneberg, alarmiert. „Schleswig-Holstein ist aufgrund seiner dichten Besiedelung und der wenigen Wälder kein gutes Gebiet für ein unproblematisches Zusammenleben von Wolf und Mensch“, sagt er.
Forderung nach Bestandsmanagement
Wörmcke schließt sich der Forderung von Peter Hatecke, dem Vorsitzenden der Jägerschaft des Landkreises Stade, nach einem Bestandsmanagement für Wölfe an. „Ein Bestandsmanagement heißt ja nicht, dass ab sofort jeder Wolf entnommen wird, sondern, dass die Situation genauer beobachtet wird und bei Vorfällen nach Bewertung entschieden wird, was zu tun ist“, sagt Wörmcke. Der Jäger kritisiert, dass sich das Bundesumweltministerium bisher nicht zur Einführung eines Bestandsmanagement geäußert habe. „Sind Wölfe noch eine gefährdete Art und womöglich vom Aussterben bedroht oder haben wir mittlerweile einen gesicherten Bestand?“, will Wörmcke wissen. Selbst der Koalitionsvertrag sehe vor, dass das Ministerium diese Frage nach einer Überprüfung beantworten soll. „Doch die Ministerin hat sich bisher dazu verweigert und das nicht getan“, lautet Wörmckes Kritik.
Vorsitzender: Es gibt genug Wölfe
Seine Einschätzung zur Ausbreitung von Wölfen ist klar: „Aus unserer Sicht und der aktuellen Datenlage haben wir einen gesicherten Bestand.“ Allein in Brandenburg lebten mehr Wölfe als im 18-mal größeren Schweden. „Das macht eigenlich jede Diskussion über den Wolf als gefährdete Art obsolet“, sagt Wörmcke. Nach Sachsen und Niedersachsen werde auch Schleswig-Holstein den Wolf demnächst ins Jagdrecht aufnehmen. Dieser dürfe damit nicht beliebig gejagt werden. „Allerdings ist ein schnelleres Eingreifen beim Auftreten problematischer Tiere möglich.“
Jäger: Wolfszäune reichen nicht aus
Nach Informationen unserer Zeitung gilt in Schleswig-Holstein die Regel, dass das Land dann einen Wolf abschießen lassen darf, wenn dieser zweimal hintereinander in einen geschützten Bereich eingedrungen ist und Tiere gerissen hat. Wörmcke bemängelt, dass Wolfszäune nur einen eingeschränkten Schutz bieten. Die Angreifer könnten die vorgeschriebene Höhe von 1,08 Meter leicht überpringen. Zum Teil würden Wölfe selbst dann über die Zäune klettern, wenn diese Strom führten.
Zudem bereiteten Wolfszäune auch anderen Tieren Probleme. „Rehe verenden immer wieder in den Zäunen, selbst Kleintiere wie Igel werden beeinträchtigt“, sagt Wörmcke. Nicht ohne Grund seien die Zäune von Wolfsgehegen so ausgelegt, dass sie etwa 2,50 Meter hoch und in Richtung der Tiere gekrümmt sind. Wölfe lernten schnell.