Kreise Pinneberg/Steinburg (rs) Die Zahl ist verschwindend gering: Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden in Schleswig-Holstein 152 rechtlich verfolgbare Tempoverstöße bei Motorrädern und Mopeds registriert. Zugelassen waren am 1. Januar 2025 insgesamt 166.543. Das ergibt eine Quote von gerade einmal 0,09 Prozent und entspricht dem Wert von 2024.
Zum Vergleich: 2024 wurden 617.605 Autos geblitzt. Zwar waren von ihnen auch deutlich mehr im Land registriert, nämlich 1.754.018. Daraus ergibt sich aber eine Quote von 35,21 Prozent. Im Vergleich zu Pkw werden Motorradfahrer also fast nie geblitzt.
Die Quote ist so gering, dass sie von der Bußgeldstelle des Kreises Pinneberg nicht einmal als einzelner Wert erfasst wird. Die genaue Zahl konnte daher auf Anfrage unserer Zeitung auch nicht genannt werden. Doch warum wird kaum ein Zweiradfahrer ertappt? Ist dies mit geltendem Recht überhaupt vereinbar?
Die Pressestelle des Landespolizeiamtes beantwortete die Anfrage unserer Zeitung damit, die Vergleichbarkeit mit der Kontrolle anderer Verkehrsteilnehmer sei „nur sehr eingeschränkt möglich“. Denn die Behörden kämpfen mit zwei Problemen: Zweiräder haben kein Frontkennzeichen und die Fahrer sind wegen des Helms und des Visiers kaum erkennbar.
Zusätzlich zu einer Kamera muss die Polizei bei Kontrollen, die gezielt auch Motorradfahrer umfassen, also mit zusätzlichen Anhalteposten arbeiten, um Fahrer oder Fahrerin zu identifizieren. Die Blitzer-Anhänger des Kreises oder fest installierte Anlagen allein helfen hier nicht.
Wie es auch anders geht, zeigen benachbarte Länder wie Österreich und die Schweiz. Dort gibt es eine Halterhaftung.
Zuständig für die Überwachung und Verfolgung von Verkehrsverstößen sind nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes allein die Länder. Diese entscheiden, ob, wo und wie oft und mit welchem Einsatz von Personal oder technischen Hilfsmitteln die Überwachung erfolgt. Diese Auskunft gab auf Anfrage unserer Zeitung die Pressestelle des Bundesverkehrsministeriums.
Länder wie Österreich oder die Schweiz haben das Problem nicht, Temposünder auf Zweirädern mit Anhalteposten zu identifizieren. Dort gilt die Halterhaftpflicht. Wird kein Fahrer genannt, ist der Halter dran. In Deutschland gilt hingegen die vom Grundgesetz hergeleitete Fahrerhaftpflicht. Die besagt, dass Sanktionen nur dann verhängt werden dürfen, wenn dem Fahrer die Tat persönlich zum Vorwurf gemacht und nachgewiesen werden kann. Neben Deutschland gilt auch in einigen weiteren europäischen Staaten das System der Fahrerhaftung. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte das Bundesverkehrsministerium, dass derzeit keine Pläne bestünden, daran etwas zu ändern und die Halterhaftung in Deutschland einzuführen. Auch Kennzeichen vorn am Motorrad sollen nicht kommen. Diese gelten nach Typgenehmigungs-Vorschriften der EU als ungeeignet. Eine erhöhte Verletzungsgefahr bei Unfällen mit Fußgängern spreche dagegen. Damit dürfte es dabei bleiben, dass motorisierte Zweiradfahrer einem weit geringeren Risiko ausgesetzt sind, bei Tempoverstößen zur Rechenschaft gezogen zu werden.